Erfahrungsbericht - Praktikum Sozialer Bereich Sevilla

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Name: Antja Wilke
Alter: 23
Aus: Rädersdorf
Hintergrund: studiert Kulturwissenschaften
Sprachkurs: 2 Wochen im September 2005
Praktikum: 3 Monate bei Amuradi in Sevilla

Nach der ersten Prakikumswoche bitten wir alle interns um Ausfüllen eines Fragebogens - hier die Antworten und Kommentare von Antja Wilke:

In welchem Unternehmen arbeiten Sie?

Mein Praktikum absolviere ich bei AMURADI, einer Organisation die sich für die Rechte von Gitanas stark macht. AMURADI setzt sich außerdem für die Reduzierung von Vorurteilen gegenüber den Gitanos ein. Durch vielfältige soziale Projekte und Ausstellungen, zum Beispiel in der Universität von Sevilla, soll versucht werden, dass oft romantisierte Bild des Gitarre spielenden Gitanos und der feurigen, Röcke schwingenden Gitana einerseits und andererseits das kriminelle Bild klarzustellen.

Weiterhin wird versucht den Gitanos das Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen, ihnen Arbeit zu suchen, eine Wohnung zu finden usw. Auf dem lokalen Markt hat AMURADI eine bedeutende Position, da sie sich hauptsächlich für Frauen einsetzt. 50% der Gitanos Spaniens leben in Andalusien und davon der Grossteil in Sevilla und Granada. Natürlich gibt es schon allein deshalb viele verschiedene Projekte die sich mit der Kultur dem Brauchtum und den sozialen Problemen der Gitanos beschäftigt. Doch AMURADI ist die einzige Organisation , die sich für die Frauen einsetzt, was man sich nicht so einfach vorstellen soll.

Denn bevor man an die Frauen rankommt muss man an den Männern vorbei. In der Kultur der Gitanos stellt die Frau immer noch eine untergeordnete Rolle dar. Die Mädchen gehen nicht zur Schule und müssen ihren Muttern sehr früh im Haushalt und mit den jüngeren Geschwistern helfen. Deshalb ist die Analphabetenquote unter den Frauen sehr, sehr hoch. Natürlich gibt es nicht nur dieses Bild der Gitanas. In der Organisation arbeiten fast nur Gitanas die alle einen Universitätsabschluss haben. Doch für die Frauen aus den Barrios, die noch nach alter Tradition leben ist dieser Weg undenkbar.

In welcher Abteilung werden Sie eingesetzt?

Da die Organisation nicht ganz so viele Mitarbeiter hat, sind die Arbeitsbereiche nicht ganz klar abgegrenzt. Deshalb habe ich das Glück in allen Bereichen eingesetzt zu werden. Ich mache ganz normale Büroarbeiten genauso wie Projektentwicklungen, Sozialarbeit in den Gitanovierteln und Ausstellungsvorbereitungen.

Wie viele Stunden täglich arbeiten Sie?

Normalerweise arbeite ich 6-8 Stunde täglich. Meine Arbeitszeiten variieren jedoch oft. An manchen Tagen arbeite ich vielleicht bloß 4-5 Stunden dafür am nächsten Tag aber mehr. Es kommt immer ganz darauf an was zu tun ist.

Bitte beschreiben Sie einen typischen Arbeitstag.

Ein typischer Arbeitstag beginnt so gegen 10 Uhr mit einem kleine Cafe in der Bar um die Ecke. Danach werden im Büro die anstehenden Projekte besprochen und die Arbeiten für den Vormittag verteilt. Bis ca. 14.30 Uhr wird telefoniert, werden Finanzen berechnet, E-Mails beantwortet, Vorträge vorbereitet usw. Ich mache von allem etwas und werde trotz meiner nicht ganz perfekten Spanischkenntnisse mit wichtigen Aufgaben betraut. Von 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr ist die Zeit der berühmten Siesta, an die ich mich sehr schnell gewöhnt habe. Um 17.00 fahre ich dann an 3 Tagen in der Woche in das Viertel der Gitanos und helfe bei verschiedenen Kursen, wie z.B. Lese-, Rechtschreib- und Rechenkurse. Außerdem gebe ich 2x in der Woche Englischnachhilfe für die Kinder des Viertels. Meistens bin ich so gegen 9-9.30Uhr zu Hause.

Wie war der Umgang mit Ihnen als Praktikant(in) aus Deutschland?

Meine Kollegen (alles Frauen) sind sehr nett zu mir. Sind interessiert an meiner Meinung und beziehen mich in alle Arbeitsschritte ein. Ich habe hier das Gefühl, nicht als „kleine “ Praktikantin abgestempelt zu werden, sondern als vollwertige Kollegin.

Wie schätzen die Bedeutung des Sprachkurses vor dem Praktikum ein?

Der Sprachkurs war sehr wichtig für mich. In den Zwei Wochen hatte ich Zeit noch mal all das verschütt gegangene Spanisch vorzukramen und mich an den doch etwas anderen Akzent der Sevillaner zu gewöhnen.

Sind Ihnen in Ihrem Arbeitsalltag schon Unterschiede zur Berufswelt in Deutschland aufgefallen - im Verhalten am Arbeitsplatz, im Dresscode, bei der Ansprechbarkeit von Vorgesetzten?

Ich habe den Eindruck, dass hier alles etwas lockerer, entspannter abläuft. Es gibt keinen bestimmten Dresscode, meine Chefin ist total locker und man hat das Gefühl, dass es hier keine Hierarchie unter den Kollegen gibt. Alle geben ihr Bestes, arbeiten sehr gut im Team und helfen sich untereinander. Keiner sitzt still hinter seinem Computer und arbeitet nur für sich und für seine eigene Anerkennung. Alles läuft Hand in Hand.

Wie werden Sie Ihre jetzigen Erfahrungen als Praktikant im Ausland nach Ihrer Rückkehr in Deutschland nutzen ?

Ich habe hier durch das Praktikum ein noch größeres Interesse am Thema der Gitanos, ihre soziale Stellung, ihre Kultur und Lebensweise entwickelt. In Deutschland möchte ich mich mit Organisationen die ähnlich arbeiten in Verbindung setzen und auch in Deutschland ein Praktikum in dieser Richtung absolvieren.

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